Persönlichkeiten der Humanwissenschaften

Sigismund Freud
*06.05.1856, †23.09.1939

Schöpfer der Psychoanalyse, Professor für Psychiatrie…

Freud wurde in Freiburg, Mähren, geboren (der Ort heißt heute Príbor). Dem Brauch entsprechend erhielt er auch einen jüdischen Vornamen: Schlomo. Im Alter von 22 Jahren änderte er seinen Vornamen in Sigmund.

Nach bestehen des Abschlußexamens summa cum laude 1873 plante er ursprünglich Jura zu studieren, entschied sich dann aber doch für ein Medizinstudium. Bereits 1874 wurde er an der Universität mit Antisemitismus konfrontiert und entscheidet darauf hin, daß sein Platz „in der Opposition“ sei.

Im Verlauf seiner Forschungen am Laboratorium von Brücke nähert er sich 1878 der Entdeckung des Neurons (1891 von Waldeyer so genannt). Er verbindet sich freundschaftlich mit Josef Breuer, der 14 Jahre älter ist als er und der ihm moralisch und materiell mit häufigen Darlehen hilft. 1884 war er mit einer Studie über Kokain betraut, Freud benutzt es fahrlässig für sich selbst. Als er seinen Freund Ernst von Fleischl, der an einer Morphium-Abhängigkeit leidet, heilen will, verursacht er eine Kokain-Abhängigkeit und verschlimmert dessen Fall.

Am Ostersonntag 1886 eröffnet er in Wien seine Privatpraxis. Im September heiratet er Martha Bernays. 1891 veröffentlicht er ein Buch über die Aphasie. Geburt des zweiten Kindes. Nach dem er zuvor Werke anderer Autoren ins Deutsche übersetzte, 1894 Veröffentlichung eines Artikels über die Abwehr-Neuropsychose, im Jahr darauf über Zwangsneurose und Phobie. Im selben Jahr wird das fünfte Kind geboren. Es folgen viele (auch zum Allgemeingut gewordene) Veröffentlichungen.

1907 dann Besuch von C. G. Jung, mit dem es 1913 zum Bruch kommt. Dazwischen, 1911, die Demission von Alfred Adler. Wilhelm Reich gegenüber hegte er eine unüberwindbare Abneigung, die in dem Ausspruch gipfelte: „Befreit mich von Reich!“. Die Order gab er am 17.04.1933 an Felix Böhm (zu diesem Zeitpunkt designierter Leiter der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft).

1933 verbrennen die Nazis seine Werke in Berlin. Als 1938 der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich erfolgt, intervenieren Roosevelt und Mussolini für Freud. Im Juni kann er nach London abreisen.

Eine Portraitphotographie

  



Carl Gustaf Jung
*26.07.1875, †06.06.1961

Schweizer Psychiater…

Der schweizer Psychiater (er wirkte als Professor für Psychologie in Basel) hatte sein ganzes Leben hindurch wiederkehrende Träume und Visionen mit stark mythologischen und religiösen Inhalten, was sein Interesse an Mythologien, Träumen und der Psychologie von Religionen begründete.

Nach seiner medizinischen Ausbildung in Basel und während seiner darauf folgenden Tätigkeit am Burgholzi Hospital in Zürich wurde Jung tiefgreifend von den Arbeiten Sigmund Freud's über die Krankheiten der Seele und der Bedeutung von Träumen beeinflusst.

Von 1907 bis 1913 unterhielt er enge Beziehungen zu Freud, und im Jahr 1911 wurde Jung der erste Präsident der Internationalen Psychoanalytischen Gesellschaft. Theoretische Auseinandersetzungen vor allem über die Bedeutung der Sexualität im menschlichen Dasein führten schließlich zum Bruch mit Freud. Jung begründete mit der Tiefenpsychologie (auch Komplexe Psychologie) eine neue Schule der Analytischen Psychologie, die in vielem neue Wege ging. Er wird oft fälschlicherweise als Begründer der Analytischen Psychologie beschrieben, was einer starken Vereinfachung gleichkommt und nicht korrekt ist.

Eine Portraitbild von Jung

  



Eugene T. Gendlin
*25.12.1926 †01.05.2017

Begrüder einer körperorientierten Psychotherapieform, dem Focusing

Gendlin wurde in Wien, Österreich, als Eugen Gendelin geboren. Die Familie musste im September 1938 nach dem Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich nach Amerika fliehen.

Gendlin sieht sich selbst mehr als Philosoph denn als Psychologe. Nachdem er sein Philosophiestudium an der Universität von Chicago abgeschlossen hatte, wollte er seine philosophischen Erkenntnisse in der Realität überprüfen. Dazu trat er in das Counseling Center der Universität ein, welches zu diesem Zeitpunkt von Rogers geleitet wurde. Gendlin spürte die Notwendigkeit einer eigenen Psychotherapie, und Rogers erkannte Gendlins theoretische Begabung. 1962 veröffentlichte er die erste Gesamtschau seines philosophischen Ansatzes. 1963 gründete er die Zeitschrift „Psychotherapy: Theory, Research and Practice“.

Die offizielle Zeitschrift der APA gab er bis 1976 heraus. Ende der 70er Jahre begann er, von ihm geschulte Personen als Koordinatoren für sein „International Focusing Network“ zu beauftragen. Für Deutschland etwa ist zuständig Dr. Rainer Eggebrecht vom IGF Weilheim.

„Gendlins Leistung und Bedeutung wird erst nach und nach klar - vielleicht ein Zeichen für die Qualität des Paradigmenwechsels, die sein Werk in der psychologischen, aber auch philosophischen Welt herausfordert.“ (Feuerstein 2000)

Eine Portraitphotographie von Gendlin

  



Kurt Tsadek Lewin
*09.09.1890, †12.02.1947

Amerikanischer Sozialpsychologe deutscher Herkunft…

Geboren wurde Lewin in Mogilno, Polen, damals Preußen. Bedeutender Vertreter der Berliner Schule (Gestaltpsychologie) und Mitbegründer einer experimentellen Sozialpsychologie. Zu den bekanntesten von ihm veröffentlichten Werken gehören die Experimente über die Auswirkungen verschiedener Führungsstile auf Gruppen und der ihnen innewohnenden Dynamik.

Die von ihm geprägten Begriffe und die Erkenntnisse seiner Arbeit sind in die Alltagssprache der Psychologie wie auch daran interessierter Personenkreise eingegangen. Seine Popularität vor allem in den USA ist ungebrochen.

1910 begann er das Studium der Psychologie in Berlin. Mit Ausbruch des ersten Weltkriegs 1914 unterbrach er seine Ausbildung und diente als Soldat im kaiserlichen Heer. Er wurde im Einsatz verletzt und erhielt das Eiserne Kreuz. Nach seiner Rückkehr zum Psychologischen Institut in Berlin 1916 schloß er seine Studien als Doktor ab. Im darauf folgenden Jahr heiratete er Maria Landsberg. Zwei Jahre später wurde die erste Tochter geboren.

In der Zeit von 1921 bis 1933 war er Privatdozent am Psychologischen Institut in Berlin. 1922 wurde der erste Sohn geboren. Zwischenzeitlich verlieh man im 1927 den Titel „Außerordentlicher Professor“. Nach erfolgter Trennung von seiner ersten Frau heiratete er 1929 Gertrud Weiss. Die gemeinsame Tochter Miriam wurde im dritten Jahr darauf geboren. Im Jahr 1932 reiste er einer Einladung der Stanford University folgend in die Vereinigten Staaten, er sollte dort vorübergehend als Gastprofessor lehren. Dort wurde 1933 auch der zweite Sohn geboren.

1935 folgte er dem Ruf der Universität von Iowa und wurde dort Professor. Im Jahr 1940 schließlich nahm er die amerikanische Staatsbürgerschaft an. In Deutschland kam seine Mutter 1944 in einem Konzentrationslager der NSDAP ums Leben.

Zuletzt Professor in New Haven beim MIT, wo er das Forschungszentrum für Gruppendynamik gründete und führte.

1947 erlag er in Newtonville, Massachusetts, einem Herzinfarkt.

Eine Portraitphotographie von Lewin während des Unterrichts in der Harvard

  



John Locke
*29.08.1632, †28.10.1704

Englischer Philosoph…

Einer der bedeutendsten Denker der Aufklärung; Vorläufer des englischen Empirismus und Verfasser einer liberalistischen Staatstheorie (Zwei Abhandlungen über die Regierung, 1690). Hauptwerk: „Ein Versuch über den menschlichen Verstand“.

Auf der Suche nach sicherer Erkenntnis gelangte Locke zu der Überzeugung, dass alles Wissen auf Erfahrung beruht, die vom Rationalismus angenommenen angeborenen Ideen gibt es demzufolge nicht.

Aufbauend auf seinem Entwurf des Gesellschaftsvertrages trat er für eine konstitutionelle, demokratisch kontrollierte Monarchie mit Gewaltenteilung ein, in der persönliche Freiheit, gleiches Recht für alle und das Recht auf Eigentum verbürgt sind — Grundlagen für den modernen Verfassungsstaat.

1675 musste er nach Frankreich emigrieren, Rückkehr in 1679. Abermalige Emigration für die Jahre 1683 bis 1689 nach Holland.

Unweit von Bristol geboren, absolvierte er ein gründliches Studium der Naturwissenschaften, Medizin und Staatslehre. Der Familie des Lord Ashley (später Lord Shaftesbury) blieb er durch mehrere Generationen als Hauslehrer, Berater und Arzt verbunden. Als Ashley Lordkanzler war, berief ihn dieser in ein Staatsamt. Nach dem Sturz Ashleys mußte er das Land verlassen. 1679 kehrte er aus Südfrankreich zurück, da Ashley mittlerweile den Vorsitz des Kabinetts innehatte und ihn zurück holte.

Nach dessen erneuten Sturz ging er nach Holland, wo er allerdings von Verfolgung bedroht war. Als Wilhelm von Oranien 1689 den Thron in England bestieg, folgte er ihm wieder zurück in seine Heimat. Dort bekleidete er dann 11 Jahre lang das Amt eines leitenden Beamten für Handel und Landwirtschaft. 1700 zog er sich vollkommen zurück.

Eine Portraitgemälde von John Locke

  



Konrad Zacharias Lorenz
*07.11.1903, †27.02.1989

Verhaltensforscher, Professor Dr. med. Dr. phil.

Geboren wurde Lorenz in Wien. Stationen des beruflichen Lebens:

  • es folgten Studium der Medizin und Zoologie
  • medizinischer Doktorgrad in 1928
  • Ph.D. der Zoologie in 1933
  • 1940 Professor für vergleichgende Psychologie in Königsberg
  • 1950 bis 1973 Direktor am Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie in Buldern und später Seewiesen
  • Zuletzt Leiter des Konrad-Lorenz-Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaft

Gestorben 1989 in Wien an den Folgen eines akuten Nierenversagens.

Auf Basis von langjährigen Tierbeobachtungen begründete er die Ethologie, die moderne vergleichende Verhaltensforschung (Der mit den Gänsen tanzt;-) und prägte u.a. der Begriff Auslösemechanismus.

Später wandte er seine Aufmerksamkeit dem menschlichen Verhalten zu, besonders der Aggression. Seine diesbezüglichen Theorien veröffentliche er erstmals 1963.

•1973 erhielt er mit den Verhaltensforschern Karl v. Fritsch und Nikolaas Tinbergen den Medizinnobelpreis.

Im öffentlichen Bild weitestgehend vergessen (verdrängt?) sind seine Mitgliedschaft in der NSDAP.

"Ich war als Deutschdenkender und Naturwissenschaftler natürlich immer Nationalsozialist"
… so begründet Lorenz seinen Antrag zur Aufnahme in die NSDAP am 28. Juni 1938.
"... Schließlich darf ich sagen, dass meine ganze wissenschaftliche Lebensarbeit … im Dienste nationalsozialistischen Denkens steht."

Bereits 1938 finanziert die deutsche Forschungsgemeinschaft dem frischgebackenen NSDAP-Mitglied ein Stipendium, 1940 bekommt er ein Ordinariat für Psychologie an der Universität Königsberg. Lorenz fällt es nicht schwer, unter dem NS-Regime Erfolg zu haben. Seine wissenschaftliche Anschauung ist mit der Rassenideologie des Regimes in hohem Maß vereinbar.

Auch war er in den Kriegsjahren 1942 bis 1944 im Spital in Posen als Militärpsychiater und Heerespsychologe tätig. Bisher ist so gut wie unbekannt, was er in dieser Funktion genau getan hat.

Eine Portraitphotographie von Lorenz

  



Carl Ransom Rogers
*08.01.1902, †04.02.1987

Der Begründer der Personenzentrierte Psychotherapie wurzelte mit seinem Menschenbild tief in der Humanistischen Psychologie…

Rogers war Präsident der APA, dann bis 1963 Professor für Psychologie und Psychiatrie an der Universität von Wisconsin. 1968 gründete und leitete er u.a. das „Center for the Study of the Person“ in La Jolla, Kalifornien. Ab 1975 dehnte er seine Methode auf die Arbeit mit Encountergruppen, in die Friedensarbeit und Wirtschaft (Managertraining) und natürlich den ihm am Herzen liegenden Komplex Erziehung, Bildung und Schule aus.

Die Humanistische Psychologie ist keine abgeschottete, auf ehernen „Glaubensfundamenten” errichtete Denkschule. Sie enthält Elemente des Existenzialismus, Tiefenpsychologie, Phänomenologie, und seit etlichen Jahren auch Gedankengut aus fernöstlichen Philosophien.

Sie geht von der Sonderstellung des Menschen aufgrund der Sprache, Selbstreflexion, Wahlfreiheit (Freiheit des Willens — z.Zt. von neueren Hirnforschungsergebnissen stark in Zweifel gezogen) dem sich Hingeben an Werte und damit einhergehend die Übernahme der Verantwortung für das Selbst aus.

Die Grundidee der Gesprächspsychotherapie läßt sich sehr gut mit Martin BubersDialogische Prinzip„ veranschaulichen, welches besagt, dass sich

„... das SELBST eines Menschen nur im Kontakt vom ICH zum DU entwickeln kann“, und nicht wenn ein Mensch zum Objekt der Betrachtung und Untersuchung durch einen anderen wird.
Eine Portraitphotographie von Rogers

  


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