Forschungen zum Erbe-Umwelt-Problem

Erbe-Umwelt-Problem, Forschung

Historisch gesehen wurde im Anschluss an Galtons hereditary genius (1869) die Bedeutung des Erbeinflusses durch Erforschung von Familienstammbäumen zu zeigen versucht…

Dabei wurden u.a. familiäre Konzentrationen von Berühmtheit, Musikalität, mathematischer Begabung, Kriminalität und Schizophrenie nachgewiesen.

Da aber durch die Eltern sowohl Erbausstattung als auch Umwelt der Kinder wesentlich bestimmt ist, sind durch Familienuntersuchungen prinzipiell keine klaren Nachweise des Erbeinflusses möglich.

Methodisch weniger problematisch scheint der Nachweis des Erbeinflusses durch Zwillingsforschung zu sein. Diese arbeitet mit Vergleichen und statistischen Analysen der Ähnlichkeiten von getrennt oder gemeinsam aufwachsenden eineiigen und zweieiigen Zwillingen bzw. von gemeinsam aufwachsenden Pflegekindern.
So wurden u.a. für bestimmte Intelligenzmerkmale Erbanteile von etwa 10 bis etwa 70% berechnet (Vandenberg 1966).
Eysenck (1951) berichtet für Suggestibilität und Neurotizismus Erbanteile von 70 bzw. 80%. Auch für Schizophrenie, Bipolare Störung [frühere Bezeichnung: manisch-depressives Irresein] und Epilepsie wurde ein bedeutender Erbeinfluss gezeigt.
Eine Zusammenfassung geben Fuller und Thompson (1967).
Gegen die Methode der Zwillingsuntersuchungen im allgemeinen und insbesondere gegen einzelne Ergebnisse wurden kritische Einwände vorgebracht:
Die beziehen sich unter anderem auf Schwierigkeiten der Datengewinnung und auf die Angemessenheit der Grundannahme und der statistischen Verfahren.
Zur Interpretation eines hohen Erbanteils ist anzumerken, dass aus diesem keinesfalls auf Unbeeinflussbarkeit (wie u.a. durch Veränderung der hoch erbbestimmten Körpergrösse durch Umweltänderungen in Nachfolgegenerationen belegt ist) des Merkmals geschlossen werden darf.

In der Humangenetik haben die skizzierten Methoden und Ergebnisse der Erbanteilsschätzungen vorwiegend wissenschaftshistorische Bedeutung. In der humangenetischen Forschung werden vor allem eng umschriebene Merkmalsausprägungen (z.B. Down-Syndrom [frühere Bezeichnung: Mongolismus, metabolischer Schwachsinn]) auf nummerische oder strukturelle Dysbalancen des Chromosomensatzes oder auf genetisch bedingte Stoffwechseldefekte zurückgeführt.

Allerdings sind auch auf diesem exakten Analyseniveau kaum deterministische Beziehungen auffindbar. Vgl. Mendelsche Regeln, Umwelt, Vererbung, Zwillingsforschung.

Anastasi, Ritter und Engel, Eysenck 1975, Merz und Stelzl 1977



Neuere Forschung zur Persönlichkeitsentwicklung

Verblüffende Ergebnisse aus der Verhaltensforschung veröffentliche 2017 das Leibniz-Institut für Gewässerökologie…

Kate Laskowski führte lange Studien an Mollys (Amazonen-Kärpflinge) durch, um die „Mechanik“ der Persönlichkeits- und Charakterentwicklung aufzudecken. Der Erb- und Umwelteinfluss sollten dabei weitestgehend ausgeschaltet sein.

Ausgangslage
Sämtliche Untersuchten Karpfen sind Klone - die genetische Ausstattung ist identisch. Auch wuchsen die Mollys in hoch standardisierten Aquarium auf - Licht, Essen, Wasser, Temperatur, Einrichtung und Ausstattung - alles gleich.

Die danach folgenden Tests an den ausgewachsenen Tieren sollten also keine Verhaltensvarianzen zeigen. Mit einer unbekannten Umgebung konfrontiert wurde aber schnell deutlich, dass dies nicht zutraf: es gab ängstliches, mutiges, abwartendes Verhalten an den einzelnen Individuen zu beobachten.

Laskowski kommt zum Schluss, dass sich die Debatte um Gene und Umwelt weiterentwickeln muss. „Es gibt tausende von Theorien, die Persönlichkeitsunterschiede erklären wollen. Unsere Studie zeigt: Vielleicht entwickeln sich diese Unterschiede einfach von selbst.“

Oder: der Charakter ist bei der Geburt schon pränatal durch „nichtmechanische“ Vorgänge determiniert?