Guitars: Ibanez AR 300 BL - Reissue 1998

Ibanez AR300 Reissue
Black

Seriennummer: C 80 95708 (Baujahr 1998), Made in (South-) Korea

Ich ersteigerte die Gitarre damals auf ebay im Glauben, eine Artist aus den 80ern des letzten Jahrhunderts zu erwerben.

Nachdem sie bei mir eingetroffen war, kam mir dann doch einiges merkwürdig vor:
... der Hals/Korpusübergang wies den ausgeprägten Sockel auf, der für eine Artist untypisch war. Die Brücke ist eine Tune-o-matic-Bridge mit Drahtbügel, und keine Ibanez Gibraltar-Konstruktion, ebenso ist der Saitenhalter ein 08/15 Stoptailpiece. Die Tri-Sound-Switches waren simple Allerwelts-Chrome-Kippschalter, und nicht die bekannten AR300-Schalter. Sehr auffällig die vollkommen abweichend geformte und befestigte Truss-Rod Cover ohne „Artist“-Schriftzug ...

Da ich Klarheit haben wollte, schrieb ich den Vertrieb für Deutschland, Meinl, an. Das Antwortschreiben ging überhaupt nicht auf meine Anfrage zu diesem Modell ein, man verwies mich dafür in Sachen Ersatzteile an den nächsten Ibanez Stützpunkt-Händler (wenn ich etwas an den Switches auszusetzen hätte). Foglich wandte ich mich daraufhin im Mai 2003 gleich an Ibanez Japan — ohne jemals eine Antwort zu erhalten.

Durch Zufall stolperte ich über eine zweite Gitarre dieser Baureihe, eine AR300 Reissue in Antique-Violin. Über diese Gitarre kam es dann zu Kontakten mit Kennern der Materie.


Die Gitarre

Natürlich war ich ein Stück weit übers Ohr gehauen worden - aber schön und gut bespielbar die Gitarre trotzdem - was mich wieder etwas versöhnt hatte.

Features
  • 22 Bünde, Gibson (Les Paul) Mensur, dunkel eingefärbtes Palisander-Griffbrett
  • Das Griffbrett-Binding umfasst nicht die Endkanten der Bünde, diese scheinen aus relativ weichem Material zu bestehen
  • Der hellere Mother-of-Pearl Abschnitt bei den drei- (fünf-) teiligen Blockeinlagen ist durch Kunststoff-Imitat ersetzt
  • gutlaufenden No-Name-Mechaniken ohne Spiel mit Flügeln aus weißem Perloid (schwer zu fotografieren)
  • Tri-Tone-Switches. Soundmöglichkeiten je Tonabnehmer: Humbucker, Seriell und Out of Phase. Zusammen mit dem Pickup-Wahlschalter ergeben sich reichlich Soundvarianten. In der Praxis kann man aber schon mal die Orientierung verlieren, welcher Sound denn nun gerade aktiviert ist.
  • 3-way-Toogle-Switch, genau da, wo er sein soll. Ich weiß, manche Leute beklagen sich, er würde sich Bereich ihrer Anschlagshand befinden. Ich persönlich kann mir keine ergonomisch günstigere Position vorstellen. Ich bin immer enttäuscht, wenn ich Les-Paul-Style Gitarren sehe, deren Wahlschalter aus Kostengründen ins Elektronikfach verbannt wurde. Genau genommen ist damit das Gesamtkonzept verwässert
  • Sämtliche Hardware ist vergoldet, Tune-o-matic Brücke und Saitenhalter von Gotoh (Firmenlogo ist eingeprägt)
  • An beiden Positionen sind Super 58 Humbucker eingebaut (was meine anfängliche Verwirrung komplett machte) - laut Aufkleber mit jeweils 14,5 KOhm am Hals und Steg

Der Sound:

Wie immer zuerst der Trockencheck - Das Sustain ist wirklich gut, der Ton steht lange und klingt gleichmäßig aus. Auch heftiges Geschrammel steckt sie unbeeindruckt weg, schauckelt sich nicht auf oder reagiert in sonst einer Weise ungebührlich.

Umgekehrt wird auch ein Schuh draus - der Dynamikumfang ist recht beschränkt - da ist nicht viel Spielraum zwischen dem lautesten und leisesten Ton. Auch elektrisch ist die Klangentfaltung wenig lebendig, die Ansprache zurückhaltend, die Dynamik wenig entwickelt. Expressiven Ausdruckswünschen kommt sie nicht entgegen.

Foto der Ibanez AR300 Reissue in schwarz, Totale

So gravitätisch sie auf dem Foto wirkt, so fühlt sich diese AR300 Reissue auch am Gurt an - sie ist höllisch schwer

  

Und das, obwohl das hauptsächlich verwandte Holz einen recht porösen Charakter zeigt - Schrauben sollte man nicht zu oft raus und rein drehen.

Eine leichte Kopflastigkeit macht sie auf Dauer auch nicht tragbarer.

Dieses Schicksal (Übergewicht) teilt sie aber mit vielen deckend lackierten Gitarren - es ist ja auch naheliegend, das für diese Modelle weniger hochwertige Hölzer verwendet werden. Unpäßlichkeiten lassen sich aufs einfachste mit Spachtelmasse ausgleichen.

Man ließt ja oft die gerne strapazierte Analogie, das großes Gewicht ein Garant für ein ausgeprägtes Sustain sein soll - das kann stimmen, hängt aber auch davon ab, woher das Gewicht rührt.

Interessantes Detail am Rande: Im Elektronik-Fach sind Fräßungen für die Tri-Sound-Switches an der Decke vorgenommen worden, um diese etwas auszudünnen, so daß die Gewinde der Schalter auch bis zur Oberseite der Decke durch reichen. Diese Fräßungen sind auch in der Artist AR700 zu finden (ohne dort einen bestimmten Zweck zu erfüllen, in der Massenfertigung wird wohl für diesen Schritt ein einheitliches CNC-Programm durchlaufen).

  

Nach dem Abmontieren der Tonabnehmer war der Wechsel in der Struktur der unterschiedlichen Hölzer gut zu erkenenn, etwa vom Body zum Top - ich bin kein Experte auf dem Gebiet, aber Ahorn scheint mir unwahrscheinlich (zu weich, Ahorn ist wohl zu teuer?!), es könnte sich um Sycamore oder auch Birke handeln.

Es ist einfach schwer zu sagen, da so gut wie keine Stelle gibt, an der eine Holz-Masserung zu erkennen wäre.

Die Lackierung ist tadellos ausgeführt und im übrigen sehr widerstandsfähig, ich tippe auf eine Polyesterlackierung.

  


  


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