Guitars: Ibanez Artist EQ / Model 2622

Ibanez Artist EQ
Model 2622

Antique-Violin

Seriennummer: D795861 (Baujahr April 1979), Made in Japan

Steve Miller war kein gewöhnlicher Endorser, sondern kaufte seine ersten drei Artist EQ selbst. Er stand zu seiner Entscheidung, und ließ sich dafür in einer Anzeigen-Kampagne zitieren:

I bought my first Artist EQ a year ago. I've bought two more since then. Its simple the best electric guitar available at any price!

Er war nicht der einzige prominente Gitarrist, der Ibanez Artist Gitarren spielte (Bob Weir von den Greatful Dead etwa war bald nach Erscheinen der ersten Artist Gitarren damit gesehen worden). Aber er stand vehement zu seiner Entscheidung, wie er auch schon bei anderen Themen (Politik) kein Blatt vor den Mund nahm. Unverholen geißelte er Gibson und Fender für ihre zum Teil unterirdische Qualität bei gleichwohl hohen Premium-Preisen.

Während eines Interviews 1980 im „International Musician“ wurde er gefragt, warum er fast nur noch mit Ibanez Gitarren zu sehen sei? Die Antwort: „Ich bin ein viel beschäftigter Mann!

Was daß denn nun in diesem Zusammenhang bedeuten möge? „Sehen Sie, es gibt wohl niemanden, der etwas gegen eine gute Les Paul (Gibson) oder Stratocaster (Fender) einzuwenden hätte. Dazu müssen Sie aber einen Laden mit einer großen Auswahl aufsuchen. Dann testen Sie etwa 100 Stück durch - und werden eventuell fündig.

Wie nicht anders zu erwarten, ist mit dem US-Amerikanischen Patriotismus nicht zu spaßen. Entsprechend heftige Reaktionen provozierten diese und ähnliche Aussagen. Steve Miller wurde in seiner Heimat mit Schmähungen aller Art überzogen.

Der Legende nach soll ein gewisser Paul Reed Smith von der Qualität der Ibanez-Gitarren dieser Epoche so beeindruckt gewesen sein, daß sie ihm als Referenz für seine eigenen Kreationen dienten.

Der Perfektionismus der japanischen Gitarrenbauer jener Epoche kannte aber auch kaum Grenzen. So wurde etwa untersucht, was sich in der Holz-Struktur eines eingespielten, eingeschwungenen Instrumentes gegenüber einer neuen Gitarre verändert hat. Da Holz praktisch immer arbeitet, auch wenn es schon lange geschlagen und gelagert war, sich also gesetzt hatte, wurde die Feuchtigkeitsverteilung und die Veränderung auf Molekül-Ebene vermessen. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden bei der Konzeption und Realisierung der Trocknungsanlagen berücksichtigt.


Die Gitarre

Die Gitarre hat mir Willy Mauhs vorbei gebracht und zu sehr günstigen Konditionen überlassen - ihm einen herzlichen Dank dafür.

Sie wurde offensichtlich sehr pfleglich behandelt und war in einem bemerkenswert guten Zustand - und natürlich 100% original.

Diese Gitarre ist Real Vintage, Ibanez-Gitarren ab 1980 gelten nicht mehr als Vintage.
Ich betone dies deshalb, weil es sich allgemein eingebürgert zu haben scheint, alles was älter als 20 Jahre ist mit dem Etikett Vintage zu versehen. Die Bezeichnung leitet sich aber aus der Weinkenner-Szene ab und gilt nur für herausragende Jahrgänge.
Eine Fender Stratocaster nach 1965 ist eben nicht Vintage, auch wenn sie älter als 20 Jahre sein sollte.
Features
  • Das Gewicht beläuft sich auf 4,2 Kg
  • Der Korpus wurde aus zwei Stücken Mahagoni zusammengesetzt. Die Nahtstelle ist nur sehr schwer auszumachen und verläuft nicht mittig
  • Das gewölbte Top ist aus zwar schön gezeichnetem, aber nicht geriegeltem Ahorn spiegelbildlich zusammen gesetzt
  • Hals aus dreifach gesperrtem Berg-Ahorn und selbstverständlich eingeleimt
  • Griffbrett aus selektiertem Ebenholz, sehr sauber eingesetzten dreiteilige Perlmut-Abalone-Perlmut Blockeinlagen (am 12. Bund fünfteilig) - die Bünde sind in einer wirklich guter Verfassung. 22 Bünde, 24.75" Mensur. Breite am Sattel 43mm, am 22.ten Bund 57 mm
  • Der legendäre Half & Half Sattel (zum Griffbrett hin Messing, in Richtung Headstock Elfenbein).
    Allein hierin spiegelt sich schon der Perfektionsdrang der Gitarrenbauer - mit dieser Maßnahme soll der Unterschied zwischen gegriffenen und leer gespielten Saiten egalisiert werden
  • Die Hardware ist hartvergoldet und auch nach 27 Jahren fast makellos
  • Die Gibraltar Locking Bridge sitzt auf einem im Korpus eingelassenen massivem Messing-Sustainblock für optimale Schwingungsübertragung (Messing war zu dieser Zeit wegen seiner hohen Dichte und guten Bearbeitbarkeit das angesagte sustainfördernde Material)
  • Ibanez Gibraltar Slotted Tailpiece für den schnellen Saitenwechsel
  • Ibanez Velve-Tune double worm gear machines (Stimmmechaniken mit Schneckengetriebe)
  • Ibanez Super 80 „Flying-Fingers“ Pickups - diese Tonabnehmer sind mit Keramik-Magneten bestückt. Sie haben ein recht hohes Output und einen tendenziell analytischen Klang, vermutlich um der aktiven Elektronik ein größt mögliches Frequenzspektrum zu servieren
  • Aktive Elektronik: Zuallererst - einen Ein/Aus- (Bypass) Schalter für den EQ (die Gitarre hat, wenn man so will, einen Tubescreamer gleich mit an Bord); Bass-, Midrange- und Treble-Controls; Boost-Regler.
    Regelbereich jeweils +/- 15 dB.
    Passive Elektronik: Master Volume, 3-way Toggle-Switch (Pickup-Selector);
    gespeist wird die Elektrik mittels einer 9 V Blockbatterie (oder Akku)
  • Ich möchte hier die Gelegenheit mal nutzen und die Ibanez Sure Grip II Poti-Knöpfe würdigen - sehr ergonomisch und dabei noch passabel aussehend
  • Selbst die Abdeckplatten für Elektronik und Pickup-Wahlschalter sind aus Messing gefräßt - was sicher auch zum Gesamtgewich beiträgt. Aufdruck auf der Elektronik-Abdeckplatte: „Build by the proud craftsmen of Ibanez - Japan“.

Der Sound:

Es dürfte keine Überraschung sein, daß diese „Artist“ die am besten klingende Ibanez der hier vorgestellten Modelle ist.

Trocken gespielt klingt sie recht offen mit viel Fleisch und einem sehr lang ausklingenden Ton. Sie setzt Anschlagsstärken und Techniken schnell und willig um, allein mit diesen Ausdrucksmitteln sind vielfältigste Klanggestaltungsmöglichkeiten gegeben.

Sie zeigt sich nicht so expressiv und ausdrucksstark wie etwa die Vienna Pro by Patrick Eggle, auch der Hamer Sunburst Archtop kommt sie in dieser Diszipin nicht sehr nahe. Man könnte ihr aber höchstens Vorwerfen, zuwenig eigenen Charakter zu zeigen.

Elektrisch verstärkt (im passiven Modus) zeigen sich keine Auffälligkeiten - bis auf das Problem, das ich mit vielen Gitarren habe: dem Tonabnehmer in Stegposition. Die Super 80 sind schon wie beschrieben recht analytisch, was mir an dieser Gitarre in der Halsposition sehr zusagt und einfach toll klingt. In der Stegposition kann ich mich mit dem Sound weder in Clean-Settings noch übersteuert gespielt richtig anfreunden. Durch die aktive Elektronik bieten sich aber weitreichende Möglichkeiten der Beeinflussung an.

Wenn man damit dann einen schaltungstechnisch einfachen, einkanaligen, aber guten alten Röhrenamp anfährt - das scheint der ideale Partner der Artist EQ zu sein!

Detailierte Informationen zu den Ibanez Seriennummern finden sich in der Seite zur AR300 Reissue AV.

Foto der Ibanez Artist EQ, Totale

  

Nahaufnahme des Bodies, Detail Tonabnehmer

  

Detail Saitenhalter, Steg

  

Hals-Korpus-Übergang schräge Draufsicht

  

Detail Messing/Elfenbein-Sattel

  

Details Kopfplatten-Rückseite

  

Details Body Rückseite

Der schlanke und geschmeidige Korpus-Hals-Übergang der klassischen „Artist“-Modelle. Bei der Neuauflage der Artistmodelle wanderte der das Griffbrett in Richtung Steg, was die leichte Kopflastigkeit beseitigte

  

Die Elektrik des Artist EQ nach Abnehmen der Abdeckung

  


  


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