Guitars: Wotan Archtop Semiakustik - Baujahr 1978

Wotan Archtop Semiacoustic
Vintage-Sunburst

Seriennummer: xxxxxx (Baujahr 1978), Made in Japan

Die Gitarre wurde von Willy Mauhs 1980 oder 1981 auf der Frankfurter Musikmesse erworben (er mochte sich da nicht so festlegen).

Das ist wohl auch der Grund, warum an dieser Gitarre außer dem „Wotan“-Schriftzug als Abalone-Intarsien keinerlei sonstigen Bezeichnungen zu finden ist. Die Gitarre trägt nicht einmal eine Seriennummer.
Es ist eines der Einzelstücke welche die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Gitarrenbauer und damit der Firma bzw. Marke Wotan demonstrieren sollte.

Die Gitarre hat nur einmal in den 80er Jahren eine Bühne gesehen. Bei dem Gig handelte es sich um eine Big-Band-Gala in Köln. Danach wurde sie geputzt, mit einer Firnis eingelassen, und verschwand im Koffer. Genau diese Firnis aber sollte später noch Grund zur Sorge sein. Mehr dazu weiter unten.

Eine Gitarrenmarke namens Wotan dürfte den meisten unbekannt sein, die Namenswahl einigen zumindest skuril vorkommen. Was hatte es damit auf sich?
Anfang der 80er versuchten die Japaner mit der Marke Wotan sich im gehobenen Segment des deutschen Marktes einen Platz zu sichern. Das Rezept war so einfach wie schlüssig - Anwendung angesagter und bestmögliche Klangausbeute versprechender Konstruktionsprinzipien (bei den Solidbodies grundsätzlich durchgehende Hälse), hohe Fertigungsqualität, das Verbauen bester Komponenten (Hardware, Tonabnehmer).

Von Pedro Scassa aus Rom erhielt ich im Juli 2008 eine Email, in der fundiert dargelegt wird, daß es sich um ein Produkt der Terada Factory in Nagoya, Japan, handeln muß.
In Italien konnte er zwei identische Modelle in Augenschein nehmen (jeweils von Gigi Ciffarelli und Luciano Zadro). Der Firmenname in der Kopfplatte lautet bei diesen Gitarren allerdings „El Torres“ . Eine der Gitarren trägt einen Terada Guitars Stempel auf dem Innenlabel. Insider wissen sicher, daß in der Terada-Fabrik in den 80ern des letzten Jahrhunderts etliche der Ibanez HighEnd Semi-Acoustics gefertigt wurden.

Daraus ist zu folgern, daß hier der Versuch unternommen wurde, jeweils ein lokales Premium-Label zu etablieren. Rückblickend war damit leider ein weiteres Kapitel dem Buch der „Pleiten, Pech und Pannen“ hinzugefügt worden.

Die Gitarren wurden in der Fachpresse jener Zeit ausgesprochen positiv rezensiert. In Heavy-Kreisen kamen die BcRich-ähnlichen Solidbody-Kreationen auf immerhin moderate Stückzahlen.

Aber selbst zwischen diesen seltenen Vögeln ist das hier vorgestellte Messemodell eine Ausnahmeerscheinung.

Diese Jazz-Box hier ist komplett von Hand gefertigt, was sich bei genauerem Studium auch sehr schön an den Bindings erkennen läßt. In Ermangelung näherer Einzelheiten und Informationen nenne ich sie einfach mal „Typ ES-175“ (auch wenn das Cutaway der Gibson ES-175 spitzer ausläuft).

Damit hätte ich an den geneigten Leser aber auch gleich eine Bitte:
Haben Sie weitere Informationen zur Marke Wotan, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie diese mir zukommen lassen könnten, speziell auch dieses Modell betreffend. Bitte korrigieren Sie mich!

Die Gitarre

Es handelt sich hier um eine Vollresonanzgitarre in bester Jazz-Tradition. Die Gitarre ist eigentlich in einer sehr guten Verfassung und (fast) 100% original. Eigentlich - wäre da nicht die oben schon angedeutete Sache mit der Firnis.

Holz, Lack und Binding wirkten wie neu. Probleme gab es vor allem im Bereich um das Schildpatt-Schlagbrett (dem Aktionsradius der rechten Schlaghand).

Jahrelang im Koffer liegend, konnte dort die Korrosion in aller Ruhe ihr Werk verrichten. Die Pickup-Kappen waren vollständig korrodiert und grün angelaufen, die Metallteile und Schrauben in dem Bereich waren vor lauter Rost kaum mehr kenntlich. Das Schildpatt-Pickguard ist brüchig geworden.

Ich hatte die Metallteil großteils vom Rost befreit, das Pickguard repariert. Die Tonabnehmer-Kappen waren nicht mehr zu retten, weshalb ich sie auch abnahm (und die Gitarre damit nicht mehr als 100% original gelten konnte).

Geblieben sind einige angelaufene und mit Rost bedeckte Schrauben und der Pickguard-Haltebügel (Messing), und die zur Diskantseite hin leicht angelaufenen letzten 5 Bünde.

Alles in allem Dinge, für die man in Customshops richtig Geld liegen lassen kann, um eine authentische „Relic“-Anmutung zu erhalten:)
Ist aber alles auf den Fotos zu sehen.

Features
  • Gewicht 3,5 Kg.
  • Kompakte Abmessungen: Länge über alles 102 cm; Breite an der weitesten Stelle 37 cm; Zargenhöhe 6,8 cm.
  • Der Boden wie auch die Zargen sind aus Mahagoni gefertigt, die Decke aus 5fach laminierter Fichte, sehr sauber verarbeitet, auch in den Hohlrämen keine Leim-Nester o.ä.
  • Hals-Korpus-Übergang am 14. Bund, die Gitarre ist sehr pfleglich behandelt worden, keine Risse im Lack oder gar im Holz. Der Halsfuß ist wie der Korpusboden mit einem schön nachgegilbtem 7fachem Binding umschlossen.
  • Hals und die Kopfplatte sind aus einem Stück Mahagoni gefertigt, lediglich ein ganz schmaler Streifen mußten an der jeweiligen Längskante der Kopfplatte angeleimt werden, um die endgültige Breite zu erreichen. Die Stimmmechaniken sitzen noch auf dem zentralen einteiligen Block.
  • Der Hals hat ein flaches D-Profil (Wide) und spielt sich quasi von selbst. Er ist dem der Dean EVO „Special“ nicht unähnlich. Halsdicke (inkl. Griffbrett) am 1. Bund: 19,8 mm; 5. Bund: 20,6 mm; 12. Bund: 23 mm.
    Mensur 625 mm
  • Das Griffbrett ist aus feinporigem, dunklem Palisander ([engl.] Rosewood — die deutsche Übersetzung dafür ist nicht Rosenholz), wie man es heutzutage kaum noch verbaut sieht. Das Fingerboard ist 4,1 mm dick und moderat gewölbt. Breite am Knochensattel: 42 mm; am 21. Bund: 55 mm.
    Nicht ganz zum Stil der gesamten Gitarre passend wurden am oberen Griffbrettrand Abalone-Dreiecke eingelegt, die am 7. und 12. Bund am unteren Griffbrettrand gedoppelt wurden. Vielleicht sollte gerade das als besonderes Merkmal die Gitarre vom Mitbewerb abheben?
  • Den Zustand der Bünde ist sehr gut, abgesehen von der optischen Beeinträchtigung durch das Anlaufen der letzten fünf Bünde (siehe Foto). Erstbundierung.
  • Lackierung in sehr gutem Zustand.
  • Der Steg ist aus Knochen gearbeitet und wurde zur Kommpensation der Oktavreinheit mit entsprechende Abschrägungen versehen. Er ist in ein Palisanderholzstück eingepaßt und mit der Basis der Brücke (ebenfalls Palisander) durch zwei Rändelschrauben verbunden, die der Einstellung der Saitenlage dienen.
  • Die Stimmmechaniken haben verblüffende Ähnlichkeit mit Ibanez Velve-Tune-Machineheads. Sie dürften aus der selben Fabrik stammen, haben aber selbstredend kein Label.
  • Die Tonwandlung übernehmen zwei von Goto in Lizenz gefertigte PAF-Pickups. Es sind die selben Tonabnehmer, die Gibson in seiner japanischen „Orville“-Reihe verbaute.
  • Klassisches Regelwerk: für jeden Pickup ein Volume (Richtung Hals) und ein Tonregler, ein Toggle-Switch. Aufgrund der langen Nutzungspause kommt es hin und wieder zu leichtem Kratzen bei der Betätigung.
  • die Gitarre läßt sich sehr gut bespielen.

Der Sound:

Hmmm, holzig und hohl?! Akustisch gespielt sehr laut und im Klang, na ja, akustisch eben — mit deutlich ausgeprägterer Dynamik als jede Solidbody. Starker dabei doch weicher Anschlagsattack, mäßiges Sustain mit sehr konturierten Bässen - viel Schimmer.

Elektrisch sind jazzige Sachen ihr Ding, „Revolution“ von den Beatles ist bei einem Fußtritt auf den entsprechenden Schalter da. Fiel hier gerade der Name Ted Nugent? Dick Brave und seine Mannen kämen damit auch in den Archtop Heaven.


Der dazugehörende paßgenaue Formkoffer war in fast neuwertigem Zustand, selbst der Inbus-Schlüssel zum Einstellen der Halskrümmung ist noch in seinem originalen Etui.

Anhang

Schon im Frühjahr 2007 kam eine Email von Norbert Klein (Beggars Banquet) rein. Ich zitiere:

Ich war damals damit beschäftigt, Heinz Birwer, der den Import der Wotan E-Gitarren übernahm, in einigen Dingen der Entwicklung der Solid-E-Gitarren unter die Arme zu greifen. So kamen z.B. Form und Schaltungslayout aus unserem Kopf und wurden in Japan umgesetzt.

Zur 175: Sie liegen m.E. genau richtig und wenn mich nicht alles täuscht, habe ich sogar genau diese Gitarre von den Japanern auf der Musikmesse in Frankfurt entgegengenommen. In der Tat war es nämlich so, dass die Japaner uns das Instrument gaben mit einer so ähnlichen Anmerkung wie „und was wir noch alles können...“
Ich kann mich wirklich gut erinnern: ein traumhaftes Instrument (damals zumindest).

Ich schätze Ihre Gitarre müsste Bj 77/78 sein. Von uns (und meines Wissens auch sonst) wurden aber keine weiteren 175er in Deutschland/Europa (?) verkauft - zumindest nicht über uns. Möglicherweise gibt es noch ein weiteres Sample-Exemplar im Besitz von Heinz Birwer.

Von den Solid-Body’s sind etwa 1000 Stück (zumindest zu meiner Zeit) von uns importiert worden. Dazu weitere 600 Bässe Rechts- und 50 Linkshänder.

Foto der Wotan Jazz-Gitarre aus den 80er Jahren, Totale

  

Foto der Rüseite der ES 175

  

Nahaufnahme des Bodies, Rückseite

  

Foto des Hals-Korpus-Übergangs Cutawayseite

  

Detailfoto des Pickguards

Sehr gut zu erkennen ist hier das mit den Jahrzenten brüchig gewordene Pickguard und die Patina der Metallteile

  

Detailaufnahme Tonabnehmer-Rückseiten

  

Ein Bild des aufgeklappten Saitenhalters

  

Foto der Kopfplatten-Forderseite

  

Foto der Wotan Archtop im Gitarrenkoffer liegend

  


  


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