Guitars: Gibson SG Junior - Baujahr 1964

Gibson SG Junior
Cherry-Red

Seriennummer: 228644 (Baujahr 1964), Made in USA

Das ist der erste Jahrgang, der nicht mehr den „Les Paul“ Schriftzug auf der Kopfplatte trug. Lester Polfus, bekannt unter dem Künstlernamen Les Paul, mißfiel das 1960 „seinen“ Gitarren verpaßte Design, daher verlängerte er den 1962 auslaufenden Vertrag mit Gibson nicht. Der Namenszusatz entfiel, und 1964 hieß die Gitarre dann schlicht SG Junior (das Jahr davor noch SG/Les Paul Junior - das SG stand schlicht für Solid Guitar). Gibson sparte sich von da ab 5% Provision je verkaufter Gitarre, die bis dahin an Les Paul abzuführen waren.

Die heutzutage mit dem Namen „Les Paul“ assozierte Single-Cut Bauform war 1960 wegen stark nachlassender Nachfrage komplett aus dem Programm genommen und durch die SG ersetzt worden. Die Single-Cut Bauform, also das was man heute unter einer Les Paul versteht, ist erst seit 1968 wieder Bestandteil des Gibson-Programms.

Das tragische daran:
von der zweiten Hälfte der 60ern an ist ein zügiger Niedergang bei der Fertigungsqualität festzustellen, welche die ganzen 70er des letzten Jahrhunderts durch ein konstant niedriges Niveau hält (kenntlich an den großen Kopfplatten; unästhetisch — technisch schlägt sich dies in schlechten Pickups, unzulänglicher Holz- Auswahl und Verarbeitung und schliesslich schlampigen Endmontagen nieder).

Die Junior-Ausführungen waren der günstigste Einstieg in die Gibson-Welt. Verkauft wurden sie damals für 99$, ausgeliefert in schlichten, wenn auch stabilen Pappkartons. Die SG/Les Paul Junior bzw. SG Junior wurde 1961 eingeführt und bis 1971 produziert.

Die 10 jährige Bau- und Angebotsphase wird in zwei Perioden unterteilt, als Marke gilt die Einführung der verchromten Hardware Mitte 1965:
der SG Typ 1 von der Einführung 1961 an bis Mitte 1965 hatte vernickelte Hardware. Ein kleines Pickguard machte die Befestigung des P-90 Tonabnehmers mittels einer großen Kappe notwendig, die direkt auf den Korpus geschraubt wurde („Dog Ear“-Pickup). Als kombinierter Saitenhalter mit Brücke diente ein Wrap Around „Stairstep“ Tailpiece. Das kleine Maestro Vibrato war als Option erhältlich.
Ab Mitte 1965 erschien der SG Typ 2. Hier wurde die Schlagplatte vergrößert, der Tonabnehmer ist daran befestigt. Das machte das „Dog Ear“ Cover überflüßig - diese Bauform der P-90 Pickups ist als „Soapbar“ (Seifenstück) bekannt. Die Hardware ist von nun ab verchromt, und das Vibrato die Standardausrüstung. Die Kluson Deluxe Stimmmechaniken sind nun „Double Line“ Klusons, was nichts anderes heißt, als das die Schriftzüge Kluson und Deluxe getrennt vertikal von oben nach unten auf das Gehäuse der einzelnen Mechanik geprägt sind.

Besonderheit SG Typ 1: Die SG/Les Paul Junior aus den Jahren 1961 und 1962 haben einen sehr flachen und dünnen Hals. Zusammen mit einem instabilen Hals-Korpus-Übergang sind diese Modelle kaum praxistauglich. 1963 wurde der Neck Mounting Tenon (der Teil des Halses, der in den Korpus ragt und die Verbindung der beiden Bauteile herstellt) deutlich verlängert. Der Halsdurchmesser legte zu, man hatte wieder richtig was in der Hand. Der verwindungssteifere Hals wie auch die stabilere Halsbefestigung kamen nicht nur der Bespielbarkeit zugute, auch der Klang legte an Volumen und Körper zu.

Von dieser Halsproblematik sind aber alle Modellreihen der SG/Les Paul aus besagtem Zeitraum betroffen. Die SG/Les Paul Standard war zusätzlich noch mit dem nur als unterirdisch zu bezeichnenden „Sideways“ Vibrato geschlagen.

Nicht nur das es von der Funktionsweise unbrauchbar war/ist und die Stimmstabilität weiter verschlechtert, verhindert die gesamte Konstruktion einen brauchbaren Saitendruck auf den Steg, was zu einem ausdrucksarmen, „lahmen“ Ton führt.


Die Gitarre

Das hier vorgestellte Modell stammt aus dem Erstbesitz von George Kuklinski. Er war in den 70er und 80er Jahren ein renomierter Fachjournalist. Außerdem der Initiator der Gitarrenmarke Fenix.

Die Gitarre ist in einer sehr guten Verfassung und 100% original — mint condition! Da wurde nichts repariert, nichts ausgetauscht und nichts überlackiert — absolut unverbastelt! Traumhafter Zustand. Der Hals ist auch nach 42 Jahren bolzengerade, alle Teile (Mechaniken, Potis) arbeiten einwandfrei.

Features
  • Ein federleichtes Gewicht von lediglich 2,9 Kg
  • Body aus einem Stück Honduras-Mahagoni
  • Makelloser Hals-Korpus-Übergang: da die Gitarre sehr pfleglich behandelt wurde, ist hier im Gegensatz zu den meisten anderen SG-Gitarren aus dieser Aera kein Crack oder sonstiger Anriß zu finden. Diese Risse am Korpus, neben der Stelle, an der der Hals eingeleimt ist, sind leider recht häufig
  • Der Hals ist ebenfalls aus einem Stück Mahagoni gefertigt, lediglich ein schmaler Streifen mußten an der jeweiligen Längskante der Kopfplatte angeleimt werden, um die erforderliche Breite zu erreichen. Anstellwinkel der Kopfplatte ist 17° (1966 wurde der Anstellwinkel auf 14° verringert — seit 1973 sind es wieder 17°)
  • Der Hals hat wie oben schon erwähnt das fette Halsprofil von 1 11/16" (Wide-Fat) für eine ausgeprägte Standfestigkeit. Er liegt wirklich gut in der Hand und fühlt sich ähnlich an wie der Neck der Vienna Pro by Patrick Eggle. Halsdicke (inkl. Griffbrett) am 1. Bund: 19,3 mm; 5. Bund: 22,5 mm; 12. Bund: 24 mm
  • Das Griffbrett ist aus sehr feinporigem, dunklem brasilianischem Palisander ([engl.] Rosewood — der deutsche Name lautet nicht Rosenholz, ab 1966 wurde indischer Palisander verwendet), wie man es bei heutigen Gitarren kaum noch findet. Das Fingerboard ist 4,5 mm stark. Das Wide-Profil des Halses führt zu einem relativ breiten Griffbrett, was der Greifhand angenehm viel Platz läßt. Breite am Sattel (aus Knochen): 43 mm; am 22. Bund: 57 mm.
    Zur Orientierung sind im Griffbrett Abalone-Dots eingelassen, an der Griffbrettkante kleine Ivoroid-Dots.
  • Den Zustand der Bünde kann man nur als sehr gut bezeichnen. Es handelt sich hierbei aber um die Erstbundierung. George Kuklinski erklärt das damit, daß die Gitarre nur eine von vielen war und damit nicht ausschließlich und viele gespielt wurde. Allerdings sei zur damaligen Zeit auch wesentlich härterer Bunddraht verwendet worden als heutzutage üblich, was zu deutlich längeren Standzeiten führte
  • Lackierung auf Nitrocellulose-Basis. Das ehemals Cherry Red ist zu einem Kastanienbraun ausgebleicht
  • Als Steg ist die weiter oben schon erwähnte kombinierte „compensated“ Stud Wrap Around Tailpiece Einheit verbaut. Die „Treppenstufen“ zur Kommpensation der Oktavreinheit sind Bestandteil der Gußform. Eine individuelle Regulierung läßt sich grob durch Inbus-Schrauben vornehmen, die gegen die Haltebolzen der Brücke drücken
  • Kluson Deluxe Stimmmechaniken. Bei den günstigeren Modellen waren sie auf einer Schiene zu jeweils Dreien zusammengefasst. Hier noch in der „Single Line“ Ausführung, die eigentlich ab 1963 durch die „Double Line“ ersetzt wurde
  • Ein P-90 Tonabnehmer ist mittels „Dog Ear“ Verkleidung direkt auf den Korpus geschraubt. Breit eingeführt 1951, rückte der Singlecoil mit Einführung des Humbuckers 1957 ins zweite Glied und wurde von da an bevorzugt in den günstigeren Modellen verbaut — unter klanglichen Aspekten halte ich den P-90 für Gibsons besten Tonabnehmer. Bekannt für seinen fetten, lauten Ton mit gutem Attack ist dieses über 40 Jahre alte Schätzchen in der Lage, dem bekannten großen Ton eine wollige Vintage-Wärme beizufügen
  • Schlichtes aber effektives Regelwerk: ein Volume (Richtung Tonabnehmer) und ein Tonregler (mit Orangedrop-Kondensator). Alle Funktionen einwandfrei, kein Kratzen oder Aussetzen bei der Betätigung
  • Switchcraft Stecker-Buchse. Auch hier kein Crack oder Einriß im Holz, was ebenfalls oft zu beobachten ist
  • Beim Pickguard haben sich durch Schrumpfung des Kunststoffes so starke Spannungen aufgebaut, daß es zum Bruch an der Befestigungsschraube am unteren Cutaway kam
  • Die Gitarre ist erstklassig verarbeitet. Wenn man sie sich genau ansieht, dann ahnt man den Ursprung von Gibsons gutem Ruf
  • die Gitarre läßt sich sehr gut bespielen

Der Sound:

Kaum zu glauben, wie vielseitig eine Gitarre mit nur einem Tonabnehmer sein kann.

Manche Beschreiben den Sound als „Gretsch“-lastig. Der alte P-90 in Verbindung mit den gut abgehangenen Mahagoni-Planken klingt ungemein lebendig. Mit zurück geregeltem Volume lassen sich schöne, transparente Klänge erzielen, die aber niemals mickrig daher kommen. Selbst der Tonregler ist zu gebrauchen, sollte etwas Jazz angesagt sein.

Gibt man dem Verstärker die Sporen, singt und schreit es aus den Lautsprechern, ohne dabei jemals schrill zu klingen.

Aktionen der Greifhand wie auch Variationen des Anschlags werden dynamisch umgesetzt.


Eine Gibson Junior aus dieser Dekade in einem solchen Zustand dürften zumindest in Europa sehr rar sein, zu bekommen sind sie so gut wie nicht mehr. Selbst refinished und/oder repariert und nicht mehr 100%tig original stellen sie schon seit langem keine Schnäppchen mehr dar.

Gibson Seriennummern

In den Jahren 1961 bis 1969 sind die eingeprägten Seriennummern 4,5 oder 6 stellig - dies gilt über alle Modellreihen hinweg. Keine der Gibsons aus dieser Aera haben einen „Made in USA“ - Stempel (Prägung).

Gitarren mit 4 oder 5 Ziffern stammen aus den Jahren 1961 bis 1964, die sechsstelligen Seriennummern ordnen die jeweilige Gitarre dem Zeitraum 1963 bis 1969 zu.

Die Seriennummer dieser SG Junior (228644) ist der Reihe 176644 bis 250335 zuzuordnen, und damit Baujahr 1964. Als Quelle verweise ich auf das Blue Book of Electric Guitars Sixth Edition, Kapitel Gibson Serialization.

Foto der Vintage-Gibson SG Junior, Totale

Die Korpusform der vor 1961 gebauten Junior's fand ihre erste Renaissance in den Hamer Sunburst-Modellen

  

Detail Tonabnehmer und Saitenhalter, Steg

  

Nahaufnahme des Bodies, Rückseite

  

Detailfoto der Elektrik

  

Detailfoto des Klangpotentiometers

Macroaufnahme des auf seinem Tonpoti sitzenden „Orange Drop“ Kondensators

  

Foto der Halsrückseite der Gibson SG Junior

  

Detail der Kluson Mechaniken

  

Foto der Kopfplatten-Rückseite mit Seriennummer

  

Foto der Kopfplatte

Noch mit der kleinen, zierlichen Kopfplatte, aber schon ohne „Les Paul“ Logo

  

Foto der Bünde, noch bestens in Schuss

  


  


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